Ungerecht benotet? Die Anfechtung von Schulnoten und Versetzungsentscheidungen

Schulnoten können auf das Leben der betroffenen Schüler einen immensen Einfluss haben. Damit ist weniger eine nachvollziehbar schlechte Stimmung nach einer wieder einmal verhagelten Mathematik-Schulaufgabe gemeint, sondern vielmehr die Tatsache, dass in Deutschland mittels Schulnoten bereits ab der Grundschule zwischen gutem und schlechtem Schüler differenziert und der weitere Bildungs- und damit häufig auch Lebensweg vorbestimmt wird.

Sollen Schulnoten eigentlich vorrangig einen pädagogischen Zweck erfüllen und dem Schüler eine Rückmeldung über seinen Leistungsstand geben, so werden Noten in der Schulrealität oft als Mittel zur Selektion wahrgenommen.

Die Noten, die das Kind in der vierten Klasse nach Hause bringt, entscheiden über die von Eltern zuweilen maßlos überbewertete Frage, ob ein Übertritt an das Gymnasium möglich ist. Die Abschlussnoten eines jeden Jahrgangs entscheiden darüber, ob der Schüler mit seinen Klassenkameraden in die nächst höhere Stufe aufsteigen darf oder ob er den gleichen Stoff an gleicher Stelle nochmals präsentiert bekommt. Schließlich entscheiden die Endnoten der Haupt-, Realschulen und Gymnasien massiv mit über die Frage, ob und welchen Ausbildungsplatz das Kind erhält oder ob es den anvisierten Studienplatz an der bevorzugten Universität bekommt.

In Anbetracht dieses Einflusses der Schulnoten auf das Leben der Kinder verwundert es nicht, dass sich zunehmend auch die Gerichte mit Fragen zum Zustandekommen und zur Rechtfertigung von Schulnoten beschäftigen müssen. Insbesondere dann wenn durch Notenentscheidungen der Lehrer und der Schule unmittelbar in die Rechte eines Schülers eingegriffen wird, ist diese Entscheidung auf ihr rechtmäßiges Zustandekommen hin vor den Verwaltungsgerichten überprüfbar. Dies gilt mit Sicherheit für Entscheidungen der Schule, Schüler im Einzelfall nicht in die nächste Jahrgangsstufe zu versetzen und ebenfalls für Abschlusszeugnisse, die über Erhalt oder Verpassen des Numerus clausus oder einer sonstigen Zugangsberechtigung entscheiden.

Nicht anfechtbar sollen dagegen regelmäßig die bloße Benotung einer Klassenarbeit und die einzelne Note in einem bestimmten Fach oder Prüfungsteil sein, soweit der Schüler durch diese Einzelnote keine spürbare Beeinträchtigung in seinen Rechten erfährt.

Wird von einem Schüler die Entscheidung der Schule, ihn nicht zu versetzen oder die Gesamtbenotung eines Abschlusszeugnisses vor Gericht angefochten, dann steht natürlich inzident jede einzelne Notenentscheidung der Schule, die am Ende zu dem für den Schüler negativen Ergebnis geführt hat, auf dem Prüfstand. Jede einzelne Leistungsbewertung der Schule muss rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen.

Die Gerichte billigen den Lehrern dabei zwar einen prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraum zu, der einer Kontrolle durch die Gerichte entzogen ist. So sind es oftmals auch nur Nuancen, die den Sprung von einer Notenstufe zu nächsten ausmachen. Lehrern steht bei der Notenvergabe zunächst also ein nicht unerheblicher Wertungsspielraum zu.

Gleichzeitig müssen Lehrer aber auch die von der Rechtsordnung gesetzten Grenzen bei der Vergabe von Noten einhalten. Die Schule ist auch in Bezug auf die Vergabe von Noten kein rechtsfreier Raum. Lehrer dürfen sich insbesondere bei der Benotung nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen, sie dürfen Noten nicht willkürlich vergeben, sie haben sachlich nachvollziehbare Bewertungsmaßstäbe aufzustellen, an die sie sich auch zu halten haben, und sie dürfen bei der Benotung schließlich nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, müssen also gleiche Leistungen auch mit der gleichen Note versehen.

So ist es beispielsweise unzulässig, eine Klassenarbeit notenmäßig abzuwerten, wenn die Schrift und äußere Form der Arbeit zu wünschen übrig lässt. Soweit nicht ausdrücklich „Sonntagsschrift“ verlangt wurde und die Arbeit leserlich ist, muss der Inhalt über die Note entscheiden und nicht die Form. Die Überbewertung der äußeren Form ist jedenfalls angreifbar.

Immer wieder kommt es auch vor, dass Leistungstests in der Schule gar nicht gelöst werden können, da der Aufgabensteller selber einem logischen Denkfehler aufgesessen ist. Vom Lehrer gestellte Aufgaben dürfen zwar anspruchsvoll, sie dürfen aber in keinem Fall unverständlich, mehrdeutig oder sogar unlösbar sein. Auch dürfen die Schüler nicht mit Stoff konfrontiert werden, den sie im Unterricht noch gar nicht durchgenommen haben.

Vertretbare Lösungen des Schülers dürfen vom Lehrer nicht als falsch bewertet werden, wenn der Schüler seine Lösung mit guten Argumenten begründet.

Sachfremde Äußerungen oder auch Randbemerkungen des Prüfers, die auf seine Voreingenommenheit dem Schüler gegenüber schließen lassen, können darauf hindeuten, dass die Bewertung weniger von rationalen Erwägungen als von Emotionen des Lehrers geprägt ist. Auch dies ist unzulässig.

Selbstverständlich müssen auch die äußeren Bedingungen einer Prüfung rechtsstaatlichen Erfordernissen genügen. Die Prüflinge müssen im wesentlichen gleiche Bedingungen vorfinden und gleiche Chancen haben. Dieses Erfordernis ist beispielsweise dann nicht erfüllt, wenn Leistungskurs eins seine Abschlussprüfung in vollkommener Abgeschiedenheit und Ruhe in einem klimatisierten Raum schreiben kann, während Leistungskurs 2 die Prüfung in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer Großbaustelle mit entsprechenden Lärmemissionen und bei hochsommerlichen 40 Grad absolvieren muss.

Der Schüler hat schließlich einen Anspruch auf eine nachvollziehbare Begründung der Leistungsbewertung durch den Lehrer und im Ernstfall haben sowohl Schüler als auch deren Eltern einen Anspruch auf Einsicht in die der Entscheidung zugrunde liegenden Prüfungsakten, § 13 VwVfG (Verwaltungsverfahrensgesetz).

Ist ein Schüler durch eine Entscheidung einer öffentlichen Schule in seinen Rechten betroffen, so kann er gegen diese Entscheidung bei der Schule förmlich Widerspruch einlegen. Dieser Widerspruch muss spätestens einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung durch die Schule eingelegt werden.

Ändert die Schule ihre Entscheidung nicht, so wird ein so genannter Widerspruchsbescheid erlassen. Nachfolgend ist der Gang vor die Verwaltungsgerichte offen, der zweckmäßigerweise von einem im Verwaltungsrecht versierten Rechtsanwalt begleitet werden sollte.

Streitigkeiten mit Privatschulen sind dahingegen vor den Zivilgerichten auszutragen.