Dürfen Schüler an Demonstrationen oder Streiks teilnehmen?

Demonstrationsrecht für Schüler

Das Demonstrationsrecht ist in Deutschland ein durch die Verfassung garantiertes Grundrecht. Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln, Artikel 8 Abs. 1 GG (Grundgesetz).

Das Bundesverfassungsgericht sieht in der Demonstrationsfreiheit ein „ unentbehrliches und grundlegendes Funktionselement eines demokratischen Gemeinwesens“.

Selbstverständlich können auch Schüler unter 18 Jahren an Demonstrationen teilnehmen und auf diesem Weg ihr Grundrecht wahrnehmen.

Rechtlich kniffliger ist allerdings die Frage, ob Schüler auch während der Unterrichtszeit zur Teilnahme an Demonstrationen befugt sind.

Die Konferenz der einzelnen Länderkultusminister hatte zu dieser Problematik im Jahr 1973 in der – rechtlich unverbindlichen – Verlautbarung „Zur Stellung des Schülers in der Schule“ eine eindeutige Position bezogen:

Die Teilnahme an Demonstrationen rechtfertigt nicht das Fernbleiben vom Unterricht oder eine sonstige Beeinträchtigung des Unterrichts. Das Demonstrationsrecht kann in der unterrichtsfreien Zeit ausgeübt werden.“

Es darf bezweifelt werden, dass sich die Kultusministerkonferenz zum Demonstrationsrecht von Schülern heute noch ebenso einseitig positionieren würde. Hat man es doch bei der Frage des Teilnahmerechts an Demonstrationen auch während der Unterrichtszeit mit der gar nicht so untypischen Situation zu tun, dass zwei vom Grundgesetz geschützte Rechtspositionen miteinander konkurrieren.

Auf der einen steht der aus Art. 7 GG resultierende Verfassungsauftrag an den Staat für ein leistungsfähiges Schulsystem zu sorgen und damit auch den Bildungsauftrag gegenüber den Schülern nachzukommen. Aus diesem Erziehungsauftrag resultiert auch die allgemeine Schulpflicht eines jeden Schülers.

Auf der anderen Seite haben nun einmal auch Schüler ein Recht zu demonstrieren, und es steht nirgendwo in der Verfassung, dass man dieses Demonstrationsrecht nur in seiner Freizeit und keinesfalls während der Unterrichtszeit ausüben dürfe.

Im konkreten Fall wird es, wie immer im Verfassungsrecht, auf eine Abwägung der Interessen hinauslaufen. Je gewichtiger der Anlass für die Demonstration, desto eher wird man Schülern auch zubilligen müssen, einmal eine Unterrichtsstunde ausfallen zu lassen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass wichtige private Ereignisse (z.B. Todesfall in der Familie) von der Schule regelmäßig als rechtfertigender Grund für ein Fernbleiben vom Unterricht angesehen werden.

Klar ist aber auch: Minderjährige Schüler dürfen sich nie einfach mit Hinweis auf das Demonstrationsrecht vom Latein- oder Physikunterricht verabschieden, sondern regelmäßig müssen die Eltern vorab eine entsprechende Beurlaubung beantragen.

Streikrecht für Schüler

Auch das Streikrecht ist ein in der Verfassung verankertes Grundrecht. Von der in Artikel 9 GG geschützten kollektiven Koalitionsfreiheit ist grundsätzlich auch das Streikrecht umfasst.

Der Haken für streikende Schüler besteht darin, dass das in Artikel 9 GG normierte Streikrecht ausschließlich Arbeitskampfmaßnahmen von organisierten Arbeitnehmern gegenüber Arbeitgebern betrifft. Ein „Streikrecht“, also ein Recht auf kollektives Fernbleiben vom Unterricht für ganze Schülergruppen oder Klassen, existiert im deutschen Recht nicht.

Schüler unterliegen in aller Regel der Teilnahmepflicht am Unterricht. Von dieser Teilnahmepflicht kann man nur in engen Ausnahmefällen und bei Vorliegen eines wichtigen Grundes suspendiert werden. Ein solcher Ausnahmefall ist bei einem von den Schülern ausgerufenen Streik, auch wenn damit die Durchsetzung von möglicherweise legitimen Zielen verfolgt werden soll, regelmäßig nicht gegeben.

Die Teilnahme an „wilden“ Streiks an der Schule führt vielmehr dazu, dass BAFöG-Bezieher, die an dem Streik teilgenommen haben, für den Zeitraum der Dauer des Streiks zur Rückzahlung der staatlichen Förderung verurteilt werden können (VGH Kassel, NVwZ-RR 1988, 88).

Ansonsten kann die Schule bei unzulässigen Streikaktionen durch Schüler grundsätzlich mit den ihr zur Verfügung stehenden Ordnungsmaßnahmen reagieren. In der Praxis dürfte dieses Schwert der Schulleitung allerdings eher stumpf sein. Ein an sämtliche – streikenden – Klassenmitglieder ausgesprochener Verweis dürfte bei den Schülern eher einen Solidarisierungseffekt zur Folge haben. Und an einen zeitweiligen Ausschluss vom Unterricht als Sanktionsmaßnahme wird man auch kaum denken können, da man die Schüler ja gerade im Gegenteil zur Teilnahme an dem Unterricht bewegen will.